75 Jahre Deutsche Ordensprovinz

Deutscher Orden. Da denkt jeder gleich an Deutschland und einen Orden, welcher seinen Ursprung und Schwerpunkt in Deutschland hat. Irrtum! Gegründet wurde der Deutsche Orden 1190 vor Akkon, heute Israel. Und eigentlich lautet der Name des Ordens auch „Brüder vom Deutschen Haus St. Mariens in Jerusalem“. Nach Deutschland kam der Orden erst im Jahre 1200, als er in Halle ein Spital übernahm.

Mit Spital verbinden wir heute ein Krankenhaus, aber davon war ein Spital des Mittelalters weit entfernt. Es war vielmehr eine Mischung aus Krankenhaus, Altenheim, Pilgerherberge und Armenspeisung. Ohne staatliche Zuschüsse, also ein reines „Privatunternehmen“, musste es sauber wirtschaften und war auf Spenden angewiesen.

Im Verlauf des Mittelalters unterhielt der Deutsche Orden hunderte solcher Einrichtungen im Gebiet des heutigen Deutschlands und in Ost- und Südeuropa. Die Säkularisation, um das Jahr 1800 herum, beendete diese Tätigkeit weitgehend. Erst das Ausgehende 19. Jahrhundert führte zu einer Wiederbelebung dieser Tätigkeit. Angeregt durch die Kriege in Europa, begründete der Orden Feldspitäler. Aus der Erfahrung dieser Not, welche ja auch über die Kriege hinaus reichten, wurden Einrichtungen wie Krankenhäuser, Behindertenheime, Altenheime... Zudem bemühten sich die Brüder auch um die aus den Kriegen entstandene Not der normalen Bevölkerung und gründeten z.B. Raiffeisengenossenschaften...

Tatsächlich lag diese Tätigkeit aber nur im Gebiet des ehemaligen Kaiserreichs Österreich-Ungarn und seiner Nachfolgestaaten Österreich, Tschechien, Slowenien, Slowakei und Südtirol. Warum? Die Antwort ist sehr einfach. In allen anderen Ländern war der Deutsche Orden durch Napoleon vollkommen vernichtet worden. Erst das Ende des zweiten Weltkriegs und die Verfolgung durch den Kommunismus brachte den Deutschen Orden wieder nach Deutschland. Gemeinsam mit zahllosen Flüchtlingen bestiegen die Brüder des Konventes Troppau einen Zug nach Westdeutschland und verließen ihn mit diesen wieder in Hessen. Es war ein bunter Haufen. Unter ihnen auch ein Aspirant, den man erst einmal zur Erlangung des Abiturs im Internat der Abtei Ettal unterbrachte.

Mit eigenen Händen bauten die Brüder die Pfarrkirche Heilig Kreuz in Darmstadt. Hier stand der ehemalige Hochmeister Bruno Platter OT noch als junger Bruder auf dem Baugerüst und half bei der Erstellung des Mosaiks in der Apsis der Kirche. Auch baute der Orden die Kirchen in Wetter, Ernsthausen und Burgwald. Letztere ist vor allem ein Werk von P. Marian Tumler OT, der kurz darauf zum Hochmeister des Ordens gewählt wurde.

In den kommenden Jahrzehnten fast nur in der Pfarrseelsorge tätig, zählte der Deutsche Orden seit den 1970er Jahren in Deutschland zu den sterbenden Ordensgemeinschaften, hatte er doch faktisch keine Ordenseintritte zu verzeichnen.

Erst die 1980er Jahre brachten eine Wende. Auf einmal begannen sich junge Männer für den Deutschen Orden zu interessieren und traten in diesen ein. Es ist ungewöhnlich, aber schon bald kehrte sich die Zahl und die jungen Ordensbrüder waren in der Mehrheit. Gleichzeitig kam auch eine Rückbesinnung auf die Geschichte der Hospitalität des Ordens auf. Und genau hier liegt der Ursprung der Ordenswerke.

Mit P. Gottfried Keindl OT wurde schließlich einer der jungen Brüder zum Prior gewählt. Zuvor Pfarrer in Wetter, begann er nun mit dem Aufbau der heutigen Ordenswerke. Den Startschuss hierzu gab der 800. Gründungstag des Ordens, im Jahre 1990. Mit viel Geschick, mit Einsicht und Weitsicht, kamen immer mehr Einrichtungen hinzu. Leider verließen diese drei Eigenschaften den damaligen Prior ab einem gewissen Punkt und das gute Werk kippte. Zahlungsunfähigkeit – die Ordenswerke hatten sich übernommen.

Im Jahre 2000 wählte das Provinzkapitel der Deutschen Ordensprovinz P. Norbert Thüx OT zum neuen Prior. Der ehemalige Prior und alle weiteren verantwortlichen Brüder traten aus dem Orden aus. Gleichzeitig ernannte der Papst einen Apostolischen Visitator, der das Leben der Brüder beobachten und korrigieren sollte. Doch während das Leben der Brüder nicht beanstandet werden konnte, waren die Ordenswerke ein einziger Scherbenhaufen.

Es war die nicht zu unterschätzende Mühe des neuen Priors, sein unermüdlicher Einsatz und sein Verhandlungsgeschick, welche ein Überleben der Ordenswerke zustande brachte. Gleichzeitig setzte aber noch etwas ein, nämlich eine neue Eintrittswelle in den Deutschen Orden. Eigentlich vollkommener Irrsinn. Normalerweise gehen in der Geschichte geistlicher und wirtschaftlicher Niedergang Hand in Hand. Aber vielleicht muss man einfach nur den Blickwinckel wechseln. Ein neuer Aufbruch in den Ordenswerken und ein neuer Aufbruch im Orden.

Seit 2015 ist P. Christoph Kehr OT der Prior der Deutschen Ordensprovinz des Deutschen Ordens und geht den von seinem Vorgänger eingeschlagenen Weg der Sanierung konsequent weiter. Und bis heute haben auch die Berufungen in den Deutschen Orden nicht aufgehört. So gab es 2020 nicht nur zwei neue Novizen, sondern auch zwei Diakonenweihen. Mit einem Durchschnittsalter von 50 Jahren zählt die Deutsche Brüderprovinz des Deutschen Ordens zu den jüngsten Ordensgemeinschaften im deutschsprachigen Raum überhaupt.

(Autor: P. Damian Hungs OT)

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