In vielen Romanen und Filmen taucht das Geheimarchiv des Vatikans oder eines Bischofs auf. Angestachelt durch die Filmindustrie schwebt ein gewisser Nebel um die Geiheimarchive der Kirche. Doch was hat es wirklich mit diesen Archiven auf sich?
Das einzige was an diesen Archiven wirklich „Geheim“ ist, dass ist ihr Name. Ein Name, der aus einer veralteten Sprache stammt. So wie auch der „Geheimsekretär“ des Erzbischofs von Köln.
Der Begriff des „Geheim“ bezeichnet nämlich in seinem Ursprung kein „Verbergen“, sondern das „zu Hause“. Und damit ist der Begriff des Geheimarchivs auch tatsächlich bereits entschleiert. Es handelt sich nämlich um das Archiv, dass sich im Haus einer bestimmten Person, bei Kirchens oftmals der Bischof oder der Papst, befindet.
Jede dieser Personen hatte, und dies bis heute, eine laufende Verwaltung. Und wie bei jeder Verwaltung, so fallen hier Akten an. Doch wie geht man mit Akten um?
Akten, die man immer wieder braucht, die aber nicht zur täglichen Bearbeitung gebraucht werden, die werden irgendwo zwischengelagert. Den Ort nennt man „Registratur“. Aber da gibt es noch Akten, die eigentlich bereits abgeschlossen sind. Da es sich aber um Verträge handelt oder sonstiges, was man sonst noch einmal irgend wann gebrauchen könnte, wirft man es natürlich nicht in den Müll. Man hebt sie auf und man hebt sie natürlich nicht irgendwo auf, sondern „geheim“, zu Hause, denn man möchte ja immer wieder darauf zugreifen können.
Und die Zeit ging ins Land hinein und eigentlich brauchte man diese alten Akten nicht mehr. Aber Archive sind nun einmal das Gedächtnis der Geschichte der Menschheit. Also hat man diese auch weiterhin aufgehoben. Und so wurden aus den „Hausarchiven“ mit der Zeit „Historische Archive“ und ihr Umfang nahm mit der Zeit zu. Aber was ist nun so „Geheim“ an diesen Archiven?
Die Antwort ist: Nichts! Und gleichzeitig doch vieles. Denn bei den Geheimarchiven handelt es sich um keine „Historischen Archive“, sondern um die Archive einer laufenden Verwaltung. Und wie in jedem Ministerium oder bei eine Unternehmen, so gelten hier natürlich keine grenzenlosen Zugänge.
Gerne werden kirchlichen Archiven Geheimniskrämereien vorgeworfen, doch gelten in diesen die allgemeinen Datenschutzrichtlinien. So wie sie in keinem Staatsarchiv in die Akten von Menschen einen Einblick nehmen können, welcher noch lebt, so geht dass auch in kirchlichen Archiven nicht. So wie man heute in staatlichen Archiven noch keinen Einblick in Akten nehmen kann, welche die Bundeskanzlerschaft von Helmut Kohl betreffen, da die meisten Personen noch leben, so geht dies auch aus gleichen Gründen in kirchlichen Archiven oder in Wirtschaftsarchiven nicht.
Die Geheimarchive der Kirche sind ein Mythos, der die Phantasie vieler Autoren beflügelt. Faktisch sind sie aber nichts anderes wie die Archive eines Landes oder eines Wirtschaftsunternehmens und orientieren sich an denselben Richtlinien wie diese. Das einzige was an diesen „Geheim“ ist, ist noch ihre „archaische“ Bezeichnung.
Jetzt werden Sie sicherlich fragen, was denn mit den Dokumenten von vor 500 Jahren ist. Als Archivar kann ich da nur auf die menschliche Logik verweisen. Wie lange würde wohl ein 500 Jahre altes Dokument noch existieren, wenn es wie in einer Stadtbücherei ausgegeben würde?
Wie in jedem Archiv, so wird die Vorlage eines historischen Dokumentes aufgrund der Fragilität des Materials genau geprüft. Doch gibt es von den meisten Dokumenten Abschriften, welche das Original auch nachkommenden Generationen erhalten sollen. Dient dies einer Geschichtsverfälschung? Keinesfalls, sind doch in den kirchlichen Archiven stets Fachleute am Werk, die den Zustand eines Dokumentes gut einschätzen können und oftmals selbst Wissenschaftler sind.
Archivalien sind häufig historische Hinterlassenschaften, welche nicht nur einen pfleglichen Umgang, sondern auch der dringenden Restaurierung bedürfen. Sicherlich kann ich ein ausgetrocknetes Pergament einfach so öffnen, aber dann muss ich auch damit rechnen, dass ich nur noch Brösel vor mir liegen habe. Dies mag vor 20 oder 60 Jahren, als man eine Abschrift davon angefertigt hat, noch nicht so gewesen sein. Aber heute ist es halt so und dies führt zwangsläufig zu einer Ablehnung der Vorlage. Diese würde jeder Archivar natürlich gerne gewähren, sollte der Antragsteller zuvor die Restaurierung des Dokumentes in Auftrag geben. Aber dies geschieht natürlich nie, da wir uns hier zumeist in einem fünfstelligen Betrag vor dem Komma bewegen und da vergeht auf einmal das Interesse.
Ich selbst lese immer wieder gerne Romane, in denen es um spannende Entdeckungen in Geheimarchiven geht, doch sollten wir dabei nie vergessen, dass es sich lediglich um Romane handelt. Kein Mensch, der eine Verschwörung anzettelt oder ein Verbrechen begeht, legt darüber eine Akte an. Der Alltag in einem Geheimarchiv ist kein Roman, sondern einfach nur Verwaltung und, was die Restaurierung angeht, Handwerk.
(Autor: P. Damian Hungs OT)